VOI E-Scooter in London

Minimobilität vs. Mikromobilität: Was sind die Unterschiede?

Oder auch: Leichtfahrzeuge vs. Kleinstfahrzeuge. Der relativ junge Begriff der Mikromobilität hat sich im Sprachgebrauch bereits durchgesetzt, während Minimobilität noch in den Anfängen seiner Verbreitung steht. So führt eine kurze Google-Suche zum Schlagwort Minimobilität nur zu 1.470 Treffern, während Mikromobilität schon 68.200 Einträge vorweisen kann. 

Doch was unterscheidet diese beiden Fahrzeugkategorien voneinander? 

Was ist MIKROMOBILITÄT?

Das Deutsche Institut für Urbanistik definiert Mikromobilität wie folgt:

„Mikromobilität ist die Fortbewegung mit elektrisch motorisierten sowie nicht motorisierten Kleinst- und Leichtfahrzeugen, auch Elektrokleinstfahrzeuge genannt. Dazu zählen E-Tretroller bzw. E-Scooter, Tretroller, Segways, E-Leichtfahrzeuge, Hoverboards, Monowheels und auch E-Skateboards und klassische Skateboards.“

Damit sind solche Fahrzeuge gemeint, die ähnlich groß und schwer wie ein Fahrrad sind und auch ähnlich genutzt werden. Das bekannteste Beispiel sind wohl elektrische Tretroller. Je nach Definition werden teilweise auch Fahrräder dazu gezählt. 

E-Scooter von Voi
E-Scooter von Voi (c) VOI Technology AB

Mikromobilität und ihr holpriger Start

Der Begriff der Mikromobilität kam in etwa zeitgleich mit dem Start der E-Scooter- und Bikesharingangebote in deutschen Städten auf und etablierte sich schnell in Medien und Wissenschaft. 

Mitte 2019 wurden die Nutzung der bis dato neuartigen Fahrzeuge durch die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) reguliert, um den Wildwuchs der Leihfahrzeuge und ihrer Nutzung Einhalt zu gebieten. 

So regelt die eKFV, dass die elektrischen Kleinstfahrzeuge auf Radverkehrsflächen gefahren werden müssen, sofern diese vorhanden sind. Fehlt die Radinfrastruktur, darf auch auf der Fahrbahn beziehungsweise außerorts dem Seitenstreifen gefahren werden. In der Realität wird dies jedoch oft ignoriert und auf den Fußwegen gefahren. Zusätzlich werden die Fahrzeuge nicht nur auf dem Fußweg gefahren, sondern ebenfalls dort abgestellt. Dies stellt ein Hindernis für Fußgänger:innen, insbesondere jene mit Behinderungen, dar. Das Verhalten der Rollerfahrenden sowie die fehlende Durchsetzung der eKFV wird deshalb von Verbänden wie dem FUSS e.V. sowie dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. zum Teil heftig kritisiert.

Mehr als E-Scooter: weitere Kleinstfahrzeuge

Auch der bereits länger bekannte Segway ist ein Elektrokleinstfahrzeug – er hat sich jedoch bisher als persönliches Transportmittel wenig durchgesetzt und wird eher im gewerblichen Bereich, zum Beispiel für touristische Touren, genutzt. 

Andere Kleinstfahrzeuge wie Skateboards, Hoverboards, E-Einräder etc. fallen aufgrund der fehlenden Lenkstange offiziell nicht unter die eKFV. Sie dürfen deshalb auch auf Fußwegen gefahren werden und gelten als fußgängergeführte Fahrzeuge. Auch sie werden eher nicht für größere Strecken eingesetzt, sondern eher aus „Spaß an der Freude“ gefahren. 

Was ist MINIMOBILITÄT?

Minimobilität oder englisch Minimobility bezeichnet die Mobilitätsformen zwischen Mikromobilität und Automobilität, also herkömmlichen PKW. Hierzu zählen die Leichtfahrzeuge, wie sie z.B. in der EU Klasse L definiert sind. 

Mehr zu Leichtfahrzeugen kannst Du in meinem Post „Was sind Leichtfahrzeuge?“ lesen.

Im englischen Raum wird Minimobility manchmal auch als Heavy Micromobility bezeichnet, zum Beispiel auf dem Mikromobilitäts-Blog des „Erfinders der Mikromobilität“ Horace Dediu: micromobility.io.

Bekannte Beispiele für Minimobilitäts-Fahrzeuge sind der Opel Rocks-E, der Microlino oder auch Lastendreiräder wie das ONO Trike.

Opel Rocks E
Der Opel Rocks E – ein Leichtfahrzeug © Opel
ONO Lastentrike
ONO Lastentrike © ONOMOTION GmbH

Entstehung des Begriffs Minimobilität  

Einen ersten und bedeutenden Anstoß für den Begriff Minimobilität bzw. Minimobility gab vor allem das McKinsey Centre for Future Mobility des renommierten Beratungsunternehmens mit dem Artikel Minimobility: The next big thing in urban mobility? im September 2022. Die Veröffentlichung fokussiert sich auf drei- und vierrädrige elektrische Leichtfahrzeuge und deren Potenzial für eine neue Mobilität im urbanen Raum. Im Gegensatz zu Mikro reiht sich die Vorsilbe Mini zwar nicht ganz exakt in die gängigen Einheiten-Vorsilben ein, dies dürfte in der Welt der Mobilität jedoch eher nebensächlich sein.

Explizit für Leichtfahrzeuge wird der Begriff der Minimobilität neben McKinsey auch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. genutzt. Ansonsten landet man bei der Google-Recherche auch schnell auf den Seiten des Herstellers des heutzutage nicht mehr ganz so minikleinen Mini Coopers. 

Der englische Begriff Minimobility ist derweil schon weiter verbreitet, er wird beispielsweise von schwedischen und spanischen Blogs verwendet. Bereits ein Jahr vor dem McKinsey Artikel gab es im September 2021 eine wissenschaftliche Veröffentlichung der University of San Francisco, welche unter diesem Begriff den Einsatz von Leichtfahrzeugen in Stockholm untersuchte.

Bedeutung der begrifflichen Abgrenzung

Minimobilität platziert sich begriffstechnisch geschickt und eingängig größentechnisch über Mikromobilität und unter klassischer Mobilität mit PKW etc. Analog zum Begriff der Leichtfahrzeuge werden mit Minimobilität bisher vor allem drei- und vierrädrige leichte Fahrzeuge bezeichnet. Damit bietet der Begriff auch eine Möglichkeit, diese zweispurigen Leichtmobile vom Oberbegriff der leichten Fahrzeuge, der laut EU-Verordnung (L-Klasse) auch Motorroller und Motorräder einschließt, abzugrenzen. Besonders aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser Miniautos und der wachsenden Modellvielfalt der elektrischen Leichtmobile ist es Zeit für eine einheitliche und übergreifende Bezeichnung. 

Unterschiede beim Substitutionspotenzial von Minimobilität und Mikromobilität

Die Abgrenzung von Leichtfahrzeugen zu Kleinstfahrzeugen beziehungsweise Minimobilität zu Mikromobilität ist auch insofern von Bedeutung, als beide Mobilitätsformen ein recht unterschiedliches Substitutionspotenzial haben. 

Aktuelle Studien zeigen, dass die Kleinstfahrzeuge wie E-Tretroller vor allem Wege ersetzen, die sonst per Fuß oder Rad zurückgelegt werden – die sogenannte letzte Meile. Das Potenzial zum Ersetzen von PKW-Fahrten wird als niedrig bewertet. Auch das Umweltbundesamt kommt zum Fazit, dass E-Scooter aktuell wenig zur Verkehrswende beitragen. 

Eine Studie meiner Kolleg:innen des DLR Instituts für Verkehrsforschung zeichnet für Leichtfahrzeuge ein optimistischeres Bild. Sie verglichen die Eigenschaften verschiedener Leicht- und Kleinstfahrzeuge mit Wegen und Wegezwecken aus der Studie Mobilität in Deutschland und errechneten so ein Substitutionspotenzial. Ein Microcar der Klasse L7e mit einer Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h (wie etwa dem Microlino) könnte laut der Studie bis zu 75 % der PKW-Wege und bis zu 50 % der sonst mit dem Auto gefahrenen Kilometer ersetzen.

Während Kleinstfahrzeuge wie E-Scooter also eher für die letzte Meile eingesetzt werden, können Miniautos auch PKW-Fahrten ersetzen. Durch ihre leichte Bauweise und kompakten Maße haben sie dabei gleich einen doppelten Vorteil: sie verbrauchen weniger Energie und verursachen dadurch weniger Emissionen, und sie erleichtern die Parkplatzsuche und belegen weniger öffentlichen Raum. 

Im Gegensatz zu Kleinstfahrzeugen, die entgegen der geltenden Bestimmungen trotzdem oft auf Fußwegen gefahren werden, sind sie zudem nicht in den Verkehrsräumen des Rad- und Fußverkehrs unterwegs, sondern teilen sich die Infrastruktur mit Autos. Dadurch entsteht keine Flächenkonkurrenz mit den aktiven Mobilitätsformen. 

Für Sharing-Modelle bieten sich Leichtfahrzeuge ebenso an, wie Kleinstfahrzeuge. Dabei spielen sie ebenfalls ihre Vorteile der niedrigen Betriebskosten und gleichzeitig vielfältigeren Einsatzzwecke im Vergleich zu Kleinstfahrzeugen aus. Für den gelegentlichen Einkauf mit Transport von Getränkekisten eignet sich ein Miniauto eben deutlich besser, als ein E-Scooter. 

Fazit

Meiner Meinung nach hat Minimobilität damit aktuell ein erheblich größeres Potenzial für die Verkehrswende als Mikromobilität und sollte dementsprechend noch stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Nichtsdestotrotz ergänzen sich die beiden Mobilitätsformen wunderbar. Deshalb ist das folgende Vision-Statement des Sharinganbieters VOI der perfekte Abschluss für diesen Post. Hier sieht man neben vielen Mikromobilitätsfahrzeugen im linken Hintergrund auch ein geparktes Leichtfahrzeug. Eine schöne Vision für die Stadt und Mobilität der Zukunft. 

Vision des Sharinganbieters VOI für die Stadt der Zukunft
Vision des Sharinganbieters VOI für die Stadt der Zukunft © VOI Technology AB

AUF EINEN BLICK

  • Mikromobilität bezeichnet kleine Fortbewegungsmittel, auch Kleinstfahrzeuge genannt
  • Beispiele sind zum Beispiel E-Tretroller bzw. E-Scooter, Skateboards und E-Bikes.
  • Minimobilität bezeichnet drei- und vierrädrige Leichtfahrzeuge zwischen Kleinstfahrzeugen und Autos.
  • Beispiele für Minimobilität sind der Renault Twizy, Opel Rocks-E bzw. Citroën Ami und der Microlino.
  • Während Mikromobilität als Begriff und Mobilitätsform bereits etabliert ist, bekommt Minimobilität gerade erst mehr Aufmerksamkeit in Medien und Wissenschaft.
  • Unterschiede gibt es vor allem beim Substitutionspotenzial: Mikromobilität ersetzt bisher eher kurze Wege und damit Rad- und Fußverkehr, Minimobilität hingegen bietet durch den autoähnlichen Komfort mehr Potenzial zum Ersetzen von PKW-Fahrten

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Titelbild © VOI Technology AB

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